Geschichte

Geschichte

Bungeesurfen in der Schweiz hat eine lange Geschichte und Tradition. Es scheint, dass der Sport seinen Ursprung in den frühen 20er Jahren hat. Seit da hat sich einiges in der Schweizer Bungeesurfszene getan…

Bungeesurfing hat seinen Ursprung, gemäss mündlichen Überlieferungen, bereits Anfangs des 20. Jahrhunderts in der Umgebung von Bern, entlang des strömungsstärksten Flusses der Schweiz. In den frühen 20er Jahren wird mit Hilfe eines einfachen Hanfseils, befestigt an einem Baum oder einer Brücke, ein meist rechteckiges Holzbrett mit einem Seil verbunden. Über den Widerstand, den das am Baum «angelitschte» Seil im Wasser erzeugt, wird nun stehend auf dem Brett gesurft.

Die Steuerung erfolgt über die Gewichtsverlagerung des Körpers nach Vorn und nach Hinten. Seitwärts wird mit zwei Steuerschlaufen oder einer einzigen durchgehenden Steuerschlaufe gelenkt. In den 40er Jahren wurde das Hanfseil durch Drahtseile ersetzt, die sich allerdings als zu statisch und zu schwer herausstellen. Bereits in den 50iger Jahren kommen die ersten klassischen Bergseile zum Einsatz, ausrangierte Seile der SAC-Mitglieder werden sozusagen zweitverwertet. Mit ansteigender sogenannter «Sturzdehnung» von damals 10 Prozenten konnten auf der Flussfläche immerhin 2-5% der Dehnung von den Surfenden ausgereizt werden.

Die gefährlichste Zeit des Fluss-Surfens begann mit dem Einsatz langer Bergseile. Durch die langen Surf-Fahrten flussaufwärts bedeuteten die sich unter Wasser aufwickelnden Seile eine potenziell tödliche Gefahr für unerfahrene Surfer. Insbesondere in der letzten Phase des Gleitens flussaufwärts rollten sich die Seile in Schlaufen auf, weil sie mit dem Board fix verbunden waren.

Den ersten richtigen Boom erlebte das Flusswellenreiten in den 60er und 70er Jahren. Es war die Zeit der 68er-Jugendbewegung, die Zeit der grossen Surfer-Songs wie etwa der Bee Gees Hit «Surfin’ USA, Surfin’ is the only life, the only way for me» aus dem Jahr 1963. Der dazu passende Berner Lifestyle mit mehr oder weniger stromlinienförmigen Surfboards bzw. Holzbrettern wurde Kult. Die Bergseile wurden mit einem Zugseil verstärkt, welches die Surfer oft selbst herstellten, aus Gummizügen, die praktisch immer vom damaligen Berner Insider-Shop «Gummi Oberleitner», der heutigen Gobag AG bezogen wurden.

Mit der steigenden Zahl von surfenden «Wellenbrettlern» wurde die Kantonspolizei aktiv und begann, Surfenden zu büssen. Mit dem Hinweis, dass Gewässer im Gesetz wie Strassen behandelt werden und somit Surfboards Wasserfahrzeuge seien, welche eine Immatrikulation und damit ein Nummernschild benötigen würden. Nach zwei Saisons gingen einige Stadtberner Surfer um den Gymnasiasten Bendicht Luginbühl in die Offensive. Mit Hilfe eines Jura-Studenten, der wusste, wie man eine Behörde einklagen kann, wurde die Berner Stadtpolizei und die Polizei der Gemeinde Muri/Gümligen eingeklagt. Die Surfer wollten die Bussgelder nicht länger bezahlen. Ihre Klage wurde vom Berner Amtsgericht in der Folge gutgeheissen. Richter Sollberger outete sich noch in der Verhandlung selber als Surfer der ersten Stunde, der im Berner Mattenquartier noch auf alten Türen gesurft hatte…

Die Polizei wurde durch das Gerichtsurteil dazu angehalten, die Bussengelder vollumfänglich an die Surf-Community zurückzuerstatten. Von diesem Tag an wurden in der ganzen Schweiz nie mehr Bussgelder an Bungesurfende verteilt. Dem Urteil kommt, gemäss dem heute noch aktiven Surfer Bendicht Luginbühl, «eine surfhistorische Dimension» zu, denn es war den Surfern gelungen, die «Freiheit und Unabhängigkeit der Flusswellenreiter wieder einzurichten».

Mit dem rückerstatteten Bussgeld wurde ein grosser Wettkampf unterhalb der alten Hunzikenbrücke ausgerichtet. Es ging um die spektakulärsten gezeigten Flussfahrten, im Hang-Loose-Wettbewerb wurden abgerundete, rechteckige und runde Holz- und Polyester-Boards mit und ohne Finnen eingesetzt. Der sogenannte Hunziken Sangria-Slide wurde zum Wellenreiter-Happening: Während dreier Tage wurde «hippiestyle» gesurft. Die besten Teilnehmer wurden prämiert – der erstplazierte erhielt den grössten Joint. Rund 150 Liter Sangria fanden ihren Weg in durstige Surfer-Kehlen.

Mit der Zeit kamen Kletterseile mit einer Dehnung von 8 bis 11 Prozenten auf den Markt. Diese neuen «Mammut-Ropes» ermöglichten ein richtiges Aufspannen mit Hilfe der Strömung. Und beim Lösen der Spannung immer dynamischeres Flussaufwärtsfahrten. In den 80iger und 90er-Jahren stagnierte der Boom oder ging geschätzt sogar zurück. Das Wellenreiten war den konsumorientierten Kids der Eighties und Ninties zu anstrengend, zu wenig «fancy». MTV wurde 1981 aufgeschaltet, die Jungen suchte Kamera- und Video-Sportarten wie etwa das Skateboarding, das Snowboarding oder spektakuläre Freestyle-Wettbewerbe. Die älteren, aktiven Surfenden fielen nach und nach weg, nur wenige bewahrten sich die Beweglichkeit, um auch nach 35 noch auf einem Surfbrett stehen zu können.

Der nächste Aufwärts-Kick folgte, als einige Surfende entdeckten, dass Menschen an Gummiseilen aus Seilbahnen oder von vorstehenden Plattformen in die Tiefe sprangen – und von superstarken und extra-elastischen sogenannten Bungee-Seilen wieder in die Höhe katapultiert wurden. Nun war der Weg zum nächsten Level des Flusswellenreitens frei. Mit den neuen Bungee-Seilen wurde der Fluss-Surf-Sport innert 24 Monaten auf eine nächsthöhere Ebene katapultiert.

Es ist aus heutiger Sicht unklar, wer der Erste war, der ein Bungeeseil zwischen Baum und Kletterseil einhängte. Überliefert ist, dass der Surfer Christoph Balmer der erste Aare-Surfer war, der mit einem Surfboard die Aare surfte, ohne dabei noch fest mit dem Seil verbunden zu sein. Er tat dies mittels einem Wasserski-Trapez, das er direkt festhielt, während er mit den Füssen das Board im Fluss steuerte. Im Jahr 2005 kamen die ersten Bungeesurf-Sportgeräte auf den Markt, welche von einem der wildesten Surferpersönlichkeiten der Gegenwart, von Jan Gyger entwickelt und teilweise vertrieben wurden. Im Sommer 2007 wurde zum ersten Mal eine schweizweite Bungeesurfing-Tour durchgeführt. Die sogenannten Rivergames, mit Surf-Sessions auf allen fünf grossen Flüssen der Schweiz und mit einer zusätzlichen Session an der Isar in München. 2009 wurde die Swiss Bungeesurfing Association SBSA erstmals gegründet. Die SBSA organisierte noch im selben Jahr die ersten Schweizermeisterschaften in Rubigen. Darauf folgten weitere Schweizermeisterschaften in der ganzen Schweiz. Ab 2010 erhielt die Surfer-Bewegung nun stets neuen Zulauf, bedingt durch die immer attraktiveren Surfboards, die den Surf-Lifestyle deutlich sichtbarer transportieren als die damaligen Wellenbretter aus Holz. Kern der gestiegenen Attraktivität war ohne Zweifel das revolutionäre Bungee-Seil, welches eine neue Technik des Flusswellen-Surfens erfordert und ganz andere Surf-Möglichkeiten eröffnet. Die Bungeeseil-Glides sind beschleunigter, spektakulärer und möglicherweise attraktiver anzusehen als Glides mit den alten, selbstgemachten traditionellen Wellenbrettern aus Holz. Dafür boten und bieten konventionelle Holz-Surfbretter, die via Seil direkt mit einem Baum oder einer Brücke verbunden sind, die Möglichkeit, viel längere Surf-Glides zu machen, da die Kraft vom Baum über das Seil direkt zum Brett geht und nicht in die Arme der Surfenden.

Seit 2010 ist eine nochmals intensivierte Innovation der Surfboards sowie der Peripherie-Ausrüstungen zu beobachten. Anbieter von speziell geeigneten Seilen treten auf den Plan, diverse Shaper haben mit eigenen Firmen die Herstellung von individuellen Boards übernommen. Sie bieten handegemachte (custom made) Surfboards an und bestätigen: der Markt für Surfboards nimmt laufend zu.

Einzelne Surfenden haben sich mit Ausbildungsangeboten zusammengeschlossen, wie etwa Bungeesurf Bern mit den Surfausbildnern Manuel Gerster und Dani Schmutz. Sie bieten Surf-Lernkurse für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger an. Dabei kann eine zentrale Frage der Neueinsteiger bereits vor Kursbuchung beantwortet werden: Jeder, der in Zukunft im Fluss surfen will, muss den Fluss gut kennen und in der Lage sein, in einem kräftigen Fliessgewässer gut bis sehr gut zu schwimmen und zu tauchen.

Nach der Neukonstituierung von Swiss Bungeesurfing im Jahr 2020 sind die Prognosen der Ausbildner, aber auch die Verbandsstimmen der SBSA optimistisch: Alle rechnen für die Saison 2021 mit einer deutlichen Zunahme der Surfenden.